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Fallbeispiel
DER KEINE-AHNUNG-MANN
Ich werde immer wieder von Menschen kontaktiert, die einen eifersüchtigen Partner haben. Es fällt ihnen schwer, mit dessen Eifersucht umzugehen. Sie befinden sich in einer dauerhaften Beziehungskrise.
Sie fragen, ob ich ihrem Partner helfen kann, die Eifersucht loszuwerden. Oder ob ich ihnen einen Tipp geben kann, wie sie die Eifersucht des Partners abstellen können.
Ich mache schnell klar, dass ich keinem Menschen helfen kann, der mir selbst keinen Auftrag gibt – ich kann weder weiße noch schwarze Magie. Die meisten Anrufer verabschieden sich mit der Zusage, mit ihrem Partner darüber zu reden und der würde sich dann melden.
Ich kann mich an keinen einzigen Fall erinnern, wo das passiert ist.
Ausgangssituation
So rief auch mich ein Mann an, vielleicht Ende Dreißig, dessen Mutter ständig dem Vater eifersüchtige Vorwürfe macht. Es ist, wie er am Telefon sagt, eine krankhafte Eifersucht. Er beschreibt viele Situationen sehr genau, bei denen er mit seinen Eltern unterwegs gewesen ist. Deshalb kann er mir jedes Detail erzählen. Selbst die Gefühle und Gedanken seiner Eltern scheint er bestens zu kennen.
Während des Gesprächs versuche ich herauszufinden, was die Eifersucht der Mutter mit ihm selbst zu tun hat.
„Was denkst du über die Eifersucht deiner Mutter?!“
„Ja … äh, weiß nicht! Was soll ich denken?“
„Wenn du von der Eifersucht deiner Mutter erzählst: Welche Gefühle tauchen auf?“
„Keine Ahnung!“
„Wut oder Trauer? Oder … ?“
„Keine Ahnung!“ Lange Pause. „Vielleicht Frust? Vielleicht!?“
„Auf einer Skala von 1 bis 10 – also von „Kein Frust“ bis „Mega-Frust“: Wo befindet sich dein Frust?“
„Mmh, weiß nicht! Vielleicht fünf. Oder acht? Keine Ahnung. Drei?“
„Du kannst dich nicht genau festlegen?
„Keine Ahnung. Nein, kann ich nicht!“
Verhalten
Ich finde es erschreckend, wie wenig Kontakt der Mann zu sich selbst hat. Er hat überhaupt keine Ahnung von sich selbst. kennst sich aber bestens im Gefühlsleben seiner Eltern aus. Er kann mir genau schildern, wie es der Mutter und dem Vater geht, aber er hat keine Ahnung von sich selbst. Sein ganzes Gefühlsleben und seine Gedanken existieren in einer Schattenwelt, von der er keinen blassen Schimmer hat.
Weder er noch die Mutter haben jemals angerufen.
Sicherlich habe ich ihn auch erschreckt. Er wollte, dass ich seine Mutter von der Eifersucht befreien. Aber eigentlich – vermute ich – ging es ihm darum, Drama seiner Eltern nicht länger mit ansehen zu müssen. Es ging um sein Unwohlsein, wenn er mit seinen Eltern unterwegs war – aber das ist reine Spekulation.
Ergebnisse
Aber dann habe ich ihn auch noch mit sich selbst konfrontiert. Ich bin mit sicher: irgendwann wird er sich einen Therapeuten suchen … Herr Doktor, wird er vielleicht sagen: „Ich spüre mich nicht!“